Neulich traf
ich nach vielen Jahren einen ehemaligen Mitarbeiter von mir in einem der so angesagten "Social & Professional Networks" wieder. Er ist ein echt cleveres
Kerlchen, und so verwunderte es mich überhaupt nicht, dass er inzwischen auf
der Karriereleiter steil nach oben geklettert war. Erstaunt war ich zunächst lediglich
über die Tatsache, dass er sein berufliches Glück nicht etwa bei einem
börsennotierten Riesen gefunden hat, sondern bei einem inhabergeführten Unternehmen.
Einige Tage später
aß ich mit einem Manager eines hippen börsennotierten Internetkonzerns der neuen Generation zu Mittag. Hier müsste
es doch eigentlich anders zugehen, dachte ich. Hier müsste doch ein frischer
Wind wehen und die Mitarbeiter in interessanten Jobs glücklich sein. Oder?
Denkste!
„Wir tun hier
dieselben stupiden Dinge wie bei …“, klagte mein Bekannter (Anmerkung: Sein
alter Arbeitgeber war eine der Ikonen aus dem Silicon Valley).
Scheinaktionismus für ein grünes Dashboard?
Wieder muss er
Zahlen jonglieren und Prozesse designen und streamlinen, deren Sinngehalt zumindest
fraglich ist. Warum ist das so? Eine
Ursache ist sicherlich die Tatsache, dass die Top-Führungskräfte dieser
Konzerne jenseits des Atlantiks immer wieder aus demselben Talentpool gefischt
werden, frei nach dem Motto never change
a winning team. Aber selbst im modernen Fußball, in Zeiten von
Spielerrotation, ist diese Erkenntnis nur noch bedingt gültig.
Mein Bekannter,
jedenfalls, ist unglücklich und denkt darüber nach, sich beruflich zu
verändern.
Bewerbe sich, wer kann…
Die
Unterhaltung steht symbolhaft für eine ganze Reihe von Gesprächen, die ich in
der letzten Zeit geführt habe. Immer wieder derselbe Tenor: Die Aktionäre müssen befriedigt, das
Dashboard grün werden. Egal wie.
Eine Folge ist
ein Scheinaktionismus, der das kreative Potenzial vieler Mitarbeiter völlig
ungenutzt lässt. Eine weitere Folge: immer mehr Mitarbeiter, die etwas bewegen
wollen, sind unzufrieden und orientieren sich neu. Sie wollen „nie mehr in
einen großen Konzern“ hinein oder wenn schon, dann bitte in einen, in dem die
Entscheidungen hierzulande getroffen werden.
Der Bewerberstrom schwillt an
Befreundete Personalberater
erzählen mir von teilweise dreistelligen Bewerberzahlen. Wie passt das zur Zufriedenheitsstudie
des arbeitgebernahen Instituts für Wirtschaftsforschung, nach der 9 von 10
Arbeitnehmern mit ihrem Job zufrieden sind? Welch ein Widerspruch
zwischen Theorie und Praxis. Kenne ich etwa nur jeden 10ten Befragten, also den
typischen Nörgler? Bewerbe sich, wer kann…
Aber woher
kommt diese Haltung? Alle Arbeitgeber sagen doch, der wichtigste Faktor in
ihrer Firma seien die Mitarbeiter. Reden die etwa nur drüber? Jedenfalls
scheinen ihre Mitarbeiter lieber heute als morgen woanders landen zu wollen.
Es lohnt ein Blick in die Vergangenheit – Stichwort industrielle Revolution
Zu Beginn der
industriellen Revolution gab es sehr wenige Arbeiter. Die meisten Menschen
wurden für die Landwirtschaft gebraucht und die wenigen Arbeiter mussten erst
einmal ausgebildet werden. Lange herrschte eine Gutsherrenmentalität, nach der
Arbeiter wie Eigentum betrachtet wurden. Und so kam es, wie es kommen musste. Die
endlich gut ausgebildeten Arbeiter ergriffen bei der ersten Aussicht auf mehr
Lohn die Flucht.
Kluge Köpfe wie
Werner von Siemens oder Robert Bosch erkannten zuerst, dass sich
Qualität und Kundenzufriedenheit nur erzielen lassen, wenn die richtigen
Arbeiter treu zum Unternehmen stehen – und das Unternehmen wiederum
treu zu seinen Mitarbeitern. Es müssen also die richtigen Mitarbeiter
gefunden, ausgebildet und ans Unternehmen gebunden werden.
Die Geburtsstunde sozialer Standards
Soziale
Standards sollten ein „Wir-Gefühl“ ermöglichen und beidseitige Loyalität
schaffen. Auch das Kündigungsschutzgesetz entstammt dieser Geisteshaltung. Es
sollte die Arbeitnehmer vor Willkür schützen und gleichzeitig die Arbeitgeber
für ihren Einsatz in der Ausbildung von Facharbeitskräften durch langfristige Bindung
der Mitarbeiter belohnen. Eine Win-Win-Situation!
Zurück zur Gegenwart!
Es entbehrt
nicht einer gewissen Ironie, dass diese aus der Zeit der Industrialisierung stammende Erfahrung sich nun schon seit Jahrzehnten regelmäßig wiederholt. Gingen Arbeitgeber seit den 80er Jahren nach
Singapur, wo Arbeit billig und die Arbeitnehmerrechte gering waren, stellten
sie schon bald fest, dass die dadurch begründete geringe Bindung zwischen
Arbeitnehmern und Arbeitgebern schnell die Kosten in die Höhe trieb.
Mangelhafte Qualität durch schlecht ausgebildete Arbeitskräfte muss wiederum durch
teure Ausbildungsmaßnahmen behoben werden. Der Wettbewerb um diese wenigen ausgebildeten
Arbeitskräfte ist heftig, die Löhne steigen etc.
Es folgten Südostasien, die Öffnung des
Ostens, BRIC….
Eine der Achillesfersen
von China ist das nicht vorhandene duale Ausbildungssystem. Es fehlt die
Facharbeiterschicht. Auch dies mussten ausländische Unternehmen schmerzlich
lernen. Was anfangs aus ihren chinesischen Fabriken kam, war Schrott. Also
pumpten sie viel Geld ins Personal vor Ort und waren ihre Mitarbeiter nach getaner Ausbildung flugs wieder los, sobald der nächste Betrieb mehr
zahlte. Dass der Export nach China für den deutschen Maschinenbau so gut läuft,
freut uns natürlich. Dahinter steht aber genau das beschriebene Phänomen: China
ist aufgrund des Facharbeitermangels zum Automatisieren verdammt. Ob aber eine
teure Maschine, die ohnehin vollautomatisch produziert, in China oder
Deutschland steht, ist völlig egal. Der Wettbewerbsvorteil der Chinesen
schwindet unaufhörlich.
Zurück nach
Deutschland…
Worauf wird es im 6ten Kondratieff
ankommen?
Der 6te
Kondratieff steht ganz im Zeichen psyochosozialer Gerechtigkeit. Die
Verantwortung der Unternehmer besteht in allererster Linie darin, die
Bedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen. Diejenigen, die solche Trends
spüren und umsetzen, sind wiederum die Mitarbeiter. Insofern stimmt die Aussage,
„die Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines Unternehmens“. Ich gehe aber
noch weiter und sage, es müssen zuallererst die „richtigen“ Manager gefunden
werden, die ein Klima schaffen, in dem dann die „richtigen“ Mitarbeiter, die
sich mit dem Unternehmen und ihren Aufgaben identifizieren, erfolgreich sein
können und wollen.
Wirklich bahnbrechend
neue Produkte und Dienstleistungen entstehen nicht über Nacht. Unternehmer müssen
sich daher die Zeit nehmen, ihre Personalentwicklung aktiv zu gestalten und die
Mitarbeiter ins Boot zu holen, die dessen Werte teilen. Daraus wächst gegenseitige
Loyalität und die „Bewerbe-sich-wer-kann-Mentalität“ wird der Vergangenheit
angehören. Großartige Produkte und Dienstleistungen werden unseren Alltag
verbessern helfen und Wohlstand für alle schaffen.
Ganz nebenbei:
Auch die Dashboards werden grün!
Eine letzte
Bemerkung: Viele Historiker führen den Zerfall des römischen Reichs darauf
zurück, dass die Grenzen des riesigen Reiches am Ende nur noch durch
Söldner geschützt wurden. Diese aber waren bestechlich und wurden schnell
abtrünnig. Nicht, dass ich dem römischen Reich eine Träne nachweinen würde, aber
auch hier gilt der Grundsatz:
Ohne Loyalität ist nachhaltiger Erfolg
unmöglich!